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BioTransform.at

BioTransform.at – Perspektiven für die Etablierung einer auf inländischen Ressourcen basierenden Bioökonomie in Österreich

Die Schaffung einer „Bioökonomie“ erfordert eine umfassende Transformation der derzeitigen ökonomischen Strukturen hin zu einer auf biogenen Ressourcen basierenden, nachhaltigen Wirtschaftsweise. Im Projekt „BioTransform.at“ werden die Perspektiven, Chancen und Herausforderungen einer solchen Transformation in Österreich mittels eines integrierten Modellierungsansatzes analysiert.

Ausgangssituation und Fragestellung

Im Kontext von Klima- und Energiestrategien sowie dem erklärten Ziel der EU, bis 2050 die Transformation zu einer Bioökonomie zu bewerkstelligen, nehmen biogene Ressourcen eine Schlüsselrolle ein. Mittels Biomasse können fossile Energieträger ebenso wie energieintensive Produkte ersetzt und die Abhängigkeit der Wirtschaft von fossilen Rohstoffen reduziert werden. Die Transformation zu einer Bioökonomie kann jedoch auch negative Auswirkungen einer wachsenden Biomassenutzung zur Folge haben. Insbesondere besteht die Gefahr, dass Treibhausgas-(THG-)einsparungen im Energieberich durch Landnutzungsänderungen und zunehmende Nutzungsintensitäten (teilweise) kompensiert werden und es zu einer zunehmenden Biomasse- und Landnutzungskonkurrenz kommt. Transformationsszenarien zu einer Bioökonomie müssen diesem Umstand Rechnung tragen. Es müssen sämtliche Nutzungsarten (Nahrungs- und Futtermittel, stoffliche und energetische Nutzung) berücksichtigt und ein ganzheitlicher Ansatz der THG-Bilanzierung („full carbon accounting“) verfolgt werden.

Im Rahmen des Projektes „BioTransform.at“ wurde analysiert, ob bzw. wie auf Basis inländischer Biomasse bis 2050 die Transformation zu einer „low-carbon bioeconomy“ in Österreich möglich ist. Ergänzend zur technischen/bio-physischen Machbarkeit wurden auch sozio-politische Implikationen einer solchen Transformation untersucht.

Methodik

Zentrales Element des methodischen Ansatzes ist ein integriertes Optimierungsmodell, implementiert im Modellierungsframework „TIMES-VEDA“. Darin werden alle relevanten Aufkommens- und Nutzungsarten von Biomasse und Umwandlungsprozesse (in der Tierhaltung, dem Nahrungsmittelsektor, der Herstellung konventioneller und fortschrittlicher biobasierter Produkte und der Energieversorgung) sowie das Energiesystem in seiner Gesamtheit abgebildet. Die geographische Systemgrenze ist Österreich und der Betrachtungszeitraum 2010 bis 2050. Als Zielfunktion wird die Minimierung der THG-Emissionen zugrunde gelegt, wobei dynamische Einschränkungen (in Bezug auf Anlagenzubau, Brennstoffumstellung, Technologiediffusion uvm.) und exogen vorgegebe Rahmenbedingungen einzuhalten sind. Ökonomische Aspekte werden außer Acht gelassen (spekulative Annahmen zu Preis- und Kostenentwicklungen bis 2050 sind damit hinfällig). Die resultierenden Szenarien stellen also keine kostenoptimalen Entwicklungspfade dar, sondern solche, die unter den gegeben Randbedingungen zur stärksten Reduktion an THG-Emissionen führen.

Zur Szenarienentwicklung ist eine profunde Kenntnis des Status quo der Biomasseflüsse in Österreich erforderlich. Aus diesem Grund wurde (auf Basis von Versorgungs- und Energiebilanzen, Außenhandels- und Produktionsstatistiken uvm.) ein vollständiges Biomasse-Flussbild erstellt, das zur Kalibrierung des Gesamtmodells herangezogen wurde. Einen weiteren zentralen Modellinput stellen Szenarien der Waldbewirtschaftung dar, die mit dem Simulationsmodell PICUS v.1.4 erstellt wurden und Zeitreihen der Biomasse-Aufkommensmengen und der Kohlenstoffbestände bis 2050 lieferten. Indikatoren für Ökosystem-Dienstleisungen, die für die Waldszenarien ausgewertet wurden, geben Aufschluss über Nachhaltigkeitsaspekte der unterschiedlichen analysierten Bewirtschaftungsszenarien.

Zukünftige Entwicklungen beim Energieverbrauch sind im Rahmen der Szenarienentwicklung weitgehend exogen vorgegeben, basierend auf dem Szenario „WAM plus 2015“ (WAM+), das im Rahmen des nationalen THG-Monitorings erstellt wurde. Die Nutzung von Ackerflächen wird modellendogen festgelegt, wobei die Anforderungen der Ackerfrüchte, die natürlichen Gegebenheiten sowie Fruchtfolgebeschränkungen Berücksichtigung finden.

Rund 75 % der derzeitigen THG-Emissionen Österreichs sind im Modell abgebildet. Für die übrigen Kategorien werden die zukünftigen Entwicklungen gemäß dem WAM+Szenario unterstellt. In Bezug auf Biomasse werden Emissionen aus Verbrennung und natürlichem Zerfall mit Kohlenstoffbindung durch Biomassewachstum gegengerechnet und so eine Netto-THG-Bilanz gebildet.

Sozio-politische Dimensionen wurden mit Hilfe von leitfadenbasierten Interviews und Stakeholder­workshops identifiziert und aus politikwissenschaftlicher Perspektive untersucht.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Die mit dem Gesamtmodell erstellten Szenarien zeigen, dass die technische Machbarkeit einer Transformation zu einer „low-carbon“ Bioökonomie auf Basis inländischer Ressourcen grundsätzlich gegeben ist – unter der Voraussetzung, dass der Energieverbrauch drastisch reduziert, die Nutzung anderer erneuerbare Energieträger stark ausgeweitet und Biomasse effizient eingesetzt wird. Es zeigt sich auch, dass hinsichtlich des Ausmaßes der Biomassebereitstellung und -nutzung recht unterschiedliche Entwicklungspfade möglich sind. Technisch wurde dies durch Variation der exogenen Annahmen für die Bereiche Ernährungsgewohnheiten, Nahrungsmittelverluste, Landnutzungsänderungen, Waldbewirtschaftung, landwirtschaftliche Ertragsentwicklungen und energetische Nutzung landwirtschaftlicher Reststoffe umgesetzt. Sowohl in einem in Bezug auf diese Parameter „intensiven“ (Szenario B) als auch in einem „alternativen“ Szenario (C) wird das Ziel einer THG-Reduktion von mindestens 80 % im Vergleich zur „Kyoto-Baseline“ erreicht, nicht jedoch in einem Referenzszenario A. In Szenario B („Intensiv“) erfolgt – in erster Linie durch Ertragssteigerungen und Mobilisierung landwirtschaftlicher Reststoffe für energetische und stoffliche Nutzung – eine Zunahme des Biomasseaufkommens von 2010 bis 2050 um rund 30 %. In Szenario C („Alternativ“) beträgt die Zunahme hingegen nur 12 %; stattdessen erfolgt eine stärkere Reduktion des Konsums von Fleisch und Milchprodukten, von Nahrungsmittelverlusten und des Verlustes landwirtschaftlicher Flächen. In der Folge kann ein Gutteil der landwirtschaftlichen Primärproduktion in stoffliche und energetische Verwertungs­schienen umgeleitet werden, und die mit Tierhaltung in Verbindung stehenden THG-Emissionen gehen deutlich zurück.

Die modellierten Auswirkungen des Klimawandels auf die land- und forstwirtschaftlichen Produktionspotentiale sind in Summe für Gesamtösterreich betrachtet gering. Allerdings wurden Störungen, die nach Expertenmeinung durch eine Zunahme an klimawandelbedingten Extremereignissen in Zukunft häufiger auftreten werden, nicht berücksichtigt. Die regional differenziert zur Wirkung kommenden Auswirkungen der analysierten Bewirtschaftungsszenarien zeigen, dass Vorrat und damit der gespeicherte Kohlenstoff sensitiv auf Bewirtschaftungsformen reagieren: In Bezirken mit Bergwäldern kommt es zu einer Zunahme der Vorräte, in Bezirken in Tieflagen zu einer Abnahme. Klimawandelbedingungen verstärken diese Effekte. Betrachtet man andere Waldökosystemleistungen wie etwa Schutzwirkung gegen gravitative Naturgefahren, zeigt sich ebenso ein differenziertes Bild. Es kann zu Zunahmen und Abnahmen kommen. Und es gibt Wechselwirkungen zwischen Bewirtschaftungskonzepten und Klimaeffekten. Besonders sensitiv reagieren Indikatoren, die Schutzwirkung gegen Steinschlag anzeigen. Hier kann es in klimasensitiven Regionen (tiefere Lagen, südliche und östliche Landesteile) durch verstärkte Baummortalität zu deutlich eingeschränkter Schutzwirkung kommen. Unter solchen Bedingungen müssten zur Aufrechterhaltung der vollen Funktionalität gezielte Bewirtschaftungsmassnahmen gesetzt werden. Der Stakeholderprozess offenbarte überaus kontroverse Standpunkte zum Thema Bioökonomie und den sozio-ökonomischen Implikationen einer Transformation. Die Notwendigkeit von Verbrauchsreduktionen wird in erster Linie von Vertretern aus Zivilgesellschaft und Forschung hervorgehoben, in nationalen Strategien werden Fragen der Suffizienz hingegen kaum thematisiert.

Das Projekt „BioTransform.at - Using domestic land and biomass resources to facilitate a transformation towards a low-carbon society in Austria“ wird aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert und im Rahmen des Programms „Austrian Climate Research Program“ durchgeführt (www.klimafonds.gv.at).

Projektdaten

Auftraggeber Klima- und Energiefonds (Austrian Climate Research Program)
Projektteam DI Dr. Gerald Kalt
DI Dr. Martin Baumann
Martin Höher, MSc
Projektpartner*innen Energy Economics Group, Technische Universität Wien
Institut für Soziale Ökologie, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt/Graz/Wien
Institut für Waldbau, Universität für Bodenkultur Wien
Lehr- und Forschungszentrum für Landwirtschaft Raumberg-Gumpenstein energieautark consulting gmbh
Projektdauer Mai 2014 bis Mai 2016

Ansprechperson

Mitarbeiterfoto von Martin Baumann

Principal Expert | Energy Economics

DI Dr. Martin Baumann

E-Mail Adressemartin.baumann@energyagency.at