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Gebäude-Richtlinie

Novelle der europäischen Gebäude-Richtlinie

Vom Niedrigstenergie- zum Nullemissionsgebäude bis 2050

Im Dezember 2023 wurde eine politische Einigung bei den Verhandlungen für die Neugestaltung der Gebäude-Richtlinie auf EU-Ebene erzielt. Formal wurde die Novelle der Gebäude-Richtlinie durch das EU-Parlament am 12. März 2024 angenommen[1], durch den Rat am 12. April 2024. Somit kann davon ausgegangen werden, dass die Gebäude-Richtlinie in den nächsten Wochen offiziell in Kraft tritt., Die Mitgliedsstaaten haben in weiterer Folge zwei Jahre Zeit (2. Quartal 2026) die Regelungen der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Die Eckpunkte dieser Novelle werden nachfolgend in kurzer Form vorgestellt.

Renovierung des Gebäudebestands und Ausstieg aus fossilen Heizungssystemen

Die überarbeitete Gebäuderichtlinie enthält eine Reihe von Maßnahmen, um die Energieeffizienz des Gebäudebestands strukturell zu verbessern. Im Mittelpunkt stehen dabei Gebäude mit der niedrigsten Energieeffizienz.

In einem ersten Schritt sind von den Mitgliedsstaaten Minimum-Energieeffizienzstandards festzulegen. Dabei wird zwischen Wohngebäuden und Nichtwohngebäuden wie folgt unterschieden.

Für Wohngebäude gilt:

  • Festlegung eines nationalen Zielpfads, um den durchschnittlichen Primärenergieverbrauch des Gebäudebestands bis 2030 um 16 % und bis 2035 um 20 bis 22 % im Vergleich zu 2020 zu senken (ausgedrückt in kWh/m2a)
  • Die Senkung des Primärenergieverbrauchs um mindestens 55 % muss durch die Renovierung der Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz erzielt werden

Für Nichtwohngebäude gilt:

  • Renovierungsverpflichtung der schlechtesten 16 % der Gebäude bis 2030 und der schlechtesten 26 % bis 2033

Generell sind von den Mitgliedsstaaten nationale Gebäudesanierungspläne zu erstellen, in denen aufbauend auf den Minimum-Energieeffizienzstandards klare Zielsetzungen für den Umbau des Gebäudebestands zu Nullemissionsgebäuden bis 2050 (sowohl öffentliche als auch private Wohn- und Nichtwohngebäude) enthalten sind.

In den Plänen sind Zwischenziele für die Jahre 2030 und 2040 vorzusehen, weiters muss der Plan den Ausstieg aus fossilen Heizsystemen bis 2040 beinhalten. Die Pläne müssen auch aufzeigen wie verbleibende Hindernisse beseitigt werden, etwa bei der Finanzierung sowie bei der Ausbildung und der Gewinnung der erforderlichen Fachkräfte.

Mit Bezug auf Anstrengungen im Renovierungsbereich umfasst ein Punkt der Richtlinie Gebäuderenovierungspässe. Diese sollen Gebäudeeigentümer bei der schrittweisen und umfassenden Renovierung hin zu Nullemissionsgebäuden unterstützen. Ein weiterer Punkt sieht die Einrichtung zentraler Anlaufstellen (‚one-stop shops‘) vor, um alle Akteure in der Wertschöpfungskette mit gezielten, unabhängigen Beratungsleistungen bei der Renovierung der Gebäude zu unterstützen.

Nullemissionsgebäude, neue Energieausweise und Forcierung der Erneuerbaren Energieträger

Neben dem ‚phase-out‘ der fossilen Energieträger im Gebäudebestand sollen neue Gebäude basierend auf dem neuen Standard für Nullemissionsgebäude nach folgendem Zeitplan errichtet werden:

  • Neue öffentliche Gebäude: Ab dem 1.1.2028
  • Alle neuen Gebäude: Ab dem 1.1.2030

Der Standard für Nullemissionsgebäude wird jeweils von den Mitgliedsstaaten erarbeitet, basierend auf Kostenoptimalitätsberechnungen mit dem Ziel eines möglichst geringen Primärenergiebedarfs. Der restliche Energiebedarf soll durch erneuerbare Energieträger gedeckt werden. Nullemissionsgebäude dürfen jedenfalls keine Emissionen aus fossilen Energieträgern vor Ort emittieren!

Der neue Energieausweis umfasst die Energieeffizienzklassen A bis G. Die Klasse A ist für Nullemissionsgebäude vorgesehen, die Klasse G für Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienzklasse. Zwischen den Klassen B und F sollen die Energieeffizienzklassen gleichmäßig verteilt sein. Für besonders energieeffiziente bzw. nachhaltige Gebäude können die Mitgliedstaaten die Energieeffizienzklasse A+ spezifizieren.

Die nachfolgende Abbildung fasst die neuen Anforderungen für Energieausweise zusammen.

Optionale Energieeffizienzklasse A+ für besonders energieeffiziente, nachhaltige Gebäude: Mind. 20 % besser als Nullemissionsgebäude, erzeugte erneuerbare Energie (am Standort) übersteigt den jährlichen Primärenergiebedarf des Gebäudes.

Die ausgestellten Energieausweise sind in einer nationalen Datenbank zu speichern, welche mit anderen Datenbanken (z.B. dem nationalen Gebäude- oder Grundstückskataster) verknüpft werden kann. Aggregierte Daten über die Gesamtenergieeffizienz der Gebäude, einschließlich des Energieverbrauchs und weiterer relevanter Kennwerte, werden öffentlich zugänglich gemacht und mindestens zweimal jährlich aktualisiert. Der Öffentlichkeit und den Forschungseinrichtungen werden auf Anfrage weitere anonymisierte oder aggregierte Informationen zur Verfügung gestellt.

Die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass neue Gebäude solargeeignet sind, d.h. sich für die Installation von Fotovoltaik- oder Solarthermie-Anlagen auf dem Dach eignen. Die Installation von Solarenergie wird zum Standard bei neuen Gebäuden. Die Bestimmungen treten je nach Gebäudetyp (insbesondere öffentliche Gebäude und Nichtwohngebäude) und -größe zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft.

Finanzielle Anreize, Bekämpfung der Energiearmut und qualifizierte Arbeitskräfte

Für die erforderlichen Investitionen für die Umsetzung der Gebäuderenovierungspläne sind erhebliche finanzielle Mittel erforderlich. Die Mitgliedsstaaten unterstützen diese Maßnahmen durch: Mobilisierung der erforderlichen Investitionen mittels wirksamer Finanzierungsmöglichkeiten, Schaffung von Förderanreizen und weiterer unterstützender Maßnahmen, um bestehende technische und nicht-technische Marktbarrieren zu beseitigen (wie Ausbildungsinitiativen und Gewinnung von zusätzlichen Fach- und Arbeitskräften).

Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten Schutzvorkehrungen für Mieter treffen, um dem Risiko der Zwangsräumung schutzbedürftiger Haushalte aufgrund unverhältnismäßiger Mieterhöhungen nach einer Renovierung entgegenzuwirken. Besonderer Fokus soll auf Minderung der Energiearmut durch Senkung der Energiekosten gelegt werden.

Umfassende Renovierungen bzw. schrittweise Renovierungen mit dem Ziel einer umfassenden Renovierung sollen durch höhere finanzielle, steuerliche und administrative Unterstützungen erreicht werden. Ist es technisch und wirtschaftlich nicht machbar, ein bestehendes Gebäude in ein Nullemissionsgebäude umzuwandeln, so gilt eine Renovierung, die zu einer Verringerung des Primärenergieverbrauchs um mindestens 60 % führt, als umfassende Renovierung. Dabei sollen sich die Förderanreize nicht nur auf einzelne Gebäude richten, sondern auch auf eine größere Anzahl von Gebäuden (bis hin zu Stadtteilen).

Modernisierung der technischen Gebäudeausrüstung, nachhaltige Mobilität und Minimierung der grauen Energie!

Einen Schwerpunkt nimmt die Modernisierung der technischen Gebäudeausrüstung ein, wobei schwerpunktmäßig sowohl die Energieeffizienz als auch der Anteil von erneuerbaren Energieträgern (inkl. Speichersystemen) erhöht werden soll. Die neuen Anforderungen sollen zudem dazu beitragen, dass ein gesundes Innenraumklima geschaffen und die Qualität der Innenraumluft verbessert wird.  

Für Nichtwohngebäude werden Gebäudeautomatisierungssysteme und automatische Beleuchtungssysteme (wenn technisch und wirtschaftlich machbar) bis 31. Dezember 2029 mit einer effektiven Nennleistung für Heizung, Lüftung und Kühlung über 70 kW verpflichtend. Bei Leistungsgrößen über 290 kW treten die Anforderungen bereits früher in Kraft, ab dem Jahr 2024 bzw. dem Jahr 2027.

Für neue Wohngebäude bzw. Gebäude, die umfassend saniert werden, soll der Automatisierungsgrad der technischen Gebäudeausrüstung ebenfalls deutlich erhöht werden.

Darüber hinaus fördern die vereinbarten Regelungen die Verbreitung nachhaltiger Mobilitätslösungen, da sie Bestimmungen zur Ladeinfrastruktur, zu Ladepunkten für Elektrofahrzeuge und zu Fahrradstellplätzen enthalten.

Vorverkabelungen werden zum Standard für neue und renovierte Gebäude. Dies erleichtert den Zugang zur Ladeinfrastruktur und trägt zu den Klimazielen der EU bei. Zudem werden die Anforderungen an die Anzahl der Ladepunkte sowohl in Wohn- als auch in Nichtwohngebäuden erhöht. Die Mitgliedstaaten müssen auch Hindernisse für die Installation von Ladestationen beseitigen, um das Recht auf eine Ladeinfrastruktur in die Praxis umzusetzen. Generell müssen Ladestationen ein intelligentes und gegebenenfalls auch bidirektionales Laden ermöglichen. Nicht zuletzt wird sichergestellt, dass genügend Stellplätze für Fahrräder zur Verfügung stehen.

Die Vision für einen bis 2050 dekarbonisierten Gebäudebestand geht über die derzeit im Mittelpunkt stehenden betriebsbedingten Treibhausgasemissionen hinaus. Die Lebenszyklusemissionen von Gebäuden werden aus diesem Grund ebenfalls berücksichtigt. Beginnend mit neuen Gebäuden, für die ab 2030 Grenzwerte von den Mitgliedsstaaten festgelegt werden müssen, soll die graue Energie für den gesamten Gebäudebestand sukzessive verringert werden.

 


[1] Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (P9 TA(2024)0129), legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. März 2024 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Neufassung) (COM(2021)0802 – C9-0469/2021.

Ansprechperson

Portrait von Günter Simader, Head of Center Buildings & energy efficiency

Head of Center Buildings & Energy Efficiency Monitoring

DI Dr. Günter Simader

E-Mail Adresseguenter.simader@energyagency.at